Samstag, 28. November 2015

ព្រះរាជាណាចក្រកម្ពុជា (Kambodscha), 2


Die Straßen Kambodschas: Viele der älteren Frauen sind Witwen, haben rasierte Köpfe und arbeiten in Tempeln mit, manchmal auch um ihren Familien finanziell nicht zur Last zu fallen.
Was auch auffällt: Wie schon in Indonesien tragen hier viele Frauen Pyjamas (oder das was in Europa als solche verkauft werden) als Alltagskleidung, bunt gemusterte, leichte Stoffe. Kambodscha ist das Hängematten- Land schlechthin. Überall hängen Hängematten auf Märkten, in Läden in Mopedanhängern, sodass die Besitzer immer wenn notwendig ein Schläfchen machen können.

Wir fahren weiter Richtung Nordosten des Landes, über 300 km durch das Hinterland. Die Menschen leben hier in einfachsten aus Brettern zusammen gebauten Hütten. Viele der Hütten sind neu, die Bewohner meistens junge Familien, wahrscheinlich Betroffene von Landgrabbing, die sich hier eine neue Bleibe in der Gegend aufbauen, die nur langsam von Minen geräumt wird.
Es gibt keine Anbindung ans Stromnetz, hin und wieder sehen wir eine Solarplatte auf dem Dach, abends gehen die Dieselgeneratoren für ein paar Stunden an. Gekocht wird auf offenem Feuer. Regenwasser wird in großen Tonbehältern aufgefangen. Hin und wieder gibt es Brunnen wahlweise von Worldvision, Australian Aid, Japanese Aid oder wem auch immer finanziert. Überall Kinder, die, sobald sie uns sehen, brüllen: „Hello“, „Bye-bye“, „Hi“. Wir kommen aus dem Winken gar nicht mehr heraus. Lebensmittel gibt es kaum zu kaufen, dafür Handys.
Manchmal fahren wir morgens zusammen mit einigen Kindern in die wenigen sichtbaren Schulen (auch primär NGO-finanziert), generell scheinen hier nicht besonders viele Kinder in die Schule zu gehen.

Wir diskutieren, ob das jetzt einfach nur scheiße-bitterarm ist oder die (wahrscheinlich notwendige) Lebensweise der Zukunft? Diese Menschen balancieren quasi die massive westliche CO2-Produkten und Überkonsum aus. Die einfachen Holzhütten verbrauchen wenig Ressourcen, schützen vor Regen und Sonne und heizen sich nicht so auf wie Steingebäude, die dann wieder aufwändig mit Ventilatoren und Klimanlagen runtergekühlt werden müssen. Das Klima ist hier ganzjährig so warm, dass keine Heizung oder Isolierung notwendig ist. Unabhängigkeit von Strom- und Gasversorgern. Matratzen würden wahrscheinlich im feucht-heißen Klima verschimmeln, deswegen halten Hängematten und Bastmatten als Schlafgelegenheiten her. Kühlschränke gibt es keine: Erstens essen die Menschen keine Milchprodukte, Gemüse wird direkt nach der Ernte verbraucht, Fleisch und Fisch direkt verzehrt oder in der Sonne abgehangen und getrocknet. Bequem ist das nicht und das Leben der Wahl wahrscheinlich auch nicht. Auch eine Müllabfuhr wäre toll und bessere Wasserressourcen, wenn zu wenig Regen fällt. Bitterarm ist die mangelnde Gesundheitsversorgung und die Bildungssituation für Kinder.

Womit wir bei der massiven NGO-Präsenz wären: Ein Schulgebäude lässt sich recht einfach bauen, dafür lassen sich gut Spenden sammeln, wenn das Gebäude steht, sehen alle, was man erreicht hat. You can put your name on it. Nur: ein Schulgebäude unterrichtet nicht, Lehrer unterrichten. Von denen gibt es zu wenig und insbesondere nicht im ländlichen Raum...

In Kambodscha ist die Zahl der „Waisenheime“ in den letzten Jahren stark gestiegen. Doch nur ein Bruchteil der in den Waisenheimen lebenden Kinder sind tatsächlich Waise. Waisenheimbetreiber „werben“ benachteiligte Kinder aus den oben beschriebenen armen Dörfern an, Kinder mit Behinderungen oder aus besonders armen Familien, bieten den Eltern an, die Kinder mitzunehmen, sie zu versorgen und ihnen Schulbildung mit Zukunft zukommen zu lassen.
Waisenheime sind zu einer Touristenattraktion geworden. Wohlmeinende, sozial interessierte Touristen, sich schuldig fühlend ob des eigenen Reichtums, wollen sich Waisenheime anschauen, einen Tag mit den Kindern verbringen (to put a smile on their faces) und lassen Spenden da, die das ganze zu einem lukrativem Geschäft machen. Oder gründen aus lauter Mitleid gleich selbst ein Waisenheim. Für junge Absolventen im gap-year wird die mehrwöchige Mithilfe in einem Kinderheim (der von den Freiwiligen auch teuer bezahlt wird) zum sozialen Kompetenzpunkt im Lebenslauf, tolle facebookbilder inklusive. Der häufige Wechsel von Freiwilligen, die meistens kein Khmer sprechen, lässt Kinder mit Bindungsstörungen zurück. Es gibt Berichte, dass Touristen gegen Entgelt ohne jegliche Aufsicht durch Betreuungspersonen einen Nachmittag mit Kindern in Heimen verbringen dürfen, das ist natürlich auch eine ideale Gelegenheit für sexuelle Übergriffe.

Das Ganze hat so überhand genommen, dass die Regierung angefangen hat mehr und mehr komplett illegale Kinderheime zu schließen und bestehende zu zertifizieren. Es gibt Kampagnen die Touristen darauf aufmerksam machen wollen: „Children are no Tourist attractions“ und Kampagnen gegen gut gemeinte, aber im Ergebnis schädliche Freiwilligenarbeit.

Wir schauen uns das Cambodian Landmine Museum an, zu dem auch ein Kinderheim gehört, dass unter anderem von den Eintrittsgeldern betrieben wird. Hier dürfen die Kinder von Touristen nicht besucht werden, freiwillige Helfer müssen sich für einen Mindestzeitraum von mehreren Monaten verpflichten und ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Ein positives Beispeil mit trotzdem schalen Beigeschmack. Im Museum kann mensch die Geschichten der Kinder lesen. Viele der Geschichten enden damit, dass die Kinder froh sind, in dem Heim sein zu können weil sie viel lernen können und genug zu essen haben. Sie beschreiben aber auch, wie verletzt sie waren, weil ihre Eltern sie weggegeben haben und dass sie sich schuldig fühlen, weil sie viel zu essen haben und wissen, dass es ihren Geschwistern nicht so geht. Das ist ganz schön viel emotionaler Ballast für ein Kind. Und langsam setzt sich die Einsicht durch, dass Heime nur eine letzte Möglichkeit sein können für Kinder, die tatsächlich nicht bei ihren Familien bleiben können. Dass stattdessen der Ausbau der Bildungsinfrastruktur und Lebensmittelversorgung in ganzen Regionen und Dörfern das Ziel sein muss. Nur ist das eben nicht so „konkret“ und direkt und deswegen lassen sich dafür schwieriger Spenden sammeln...

Wir lernen außerdem eine weitere weitere Möglichkeit kennen, wie Jungen im ländlichen Raum der (Bildungs-)Armut entkommen. Abends suchen wir wieder nach einem Platz zum Zelten und da es sich auf Reisfeldern und potentiell verminten Gelände so schlecht zelten lässt, fragen wir wieder bei einem kleinen Tempel an, ob wir auf dem Gelände unser Zelt aufschlagen dürfen. Wir werden herzlich eingeladen und sind kurz darauf von vielen kleinen Jungen in Safranroben umringt, die uns neugierig anschauen. Es gibt keine großen goldenen Statuen wie in Thailand und auch nur ein richtiges Gebäude, in dem wir unsere Isomatten auslegen dürfen und mit vielen Menschen unter einem Dach schlafen. Wir bekommen sogar etwas zu essen angeboten (lassen natürlich eine Spende da) und sind ganz baff, dass tatsächlich der Großteil der Mönche/Novizen hier kleine Jungs sind. Abends gibt es dann noch etwas Schulunterricht. Ein junger Mönch auf Zeit zu sein, bedeutet in Kambodscha insbesondere den Zugang zu weiterführender (auch spiritueller) Bildung zu erhalten. Gleichzeitig bedeutet Mönch sein auch materielle Armut zu wählen, die im ländlichen Raum trotzdem mehr materielle Versorgungssicherheit bedeutet kann, da z.B. die Mahlzeiten durch Almosen sicher gestellt werden. Mönch zu sein ist nicht immer eine Verpflichtung auf Lebenszeit, sondern oft nur ein Lebensabschnitt der einige Jahre dauert. Mädchen allerdings können in Kambodscha von dieser Möglichkeit nicht profitieren. 

Ergebnisse eines kleinen Töpferkurses in Siem Reap


zum Sonnenaufgang fahren wir los


fast schon luxuriöse Holzhütte


Morgens Richtung Stung Treng

Kinder auf dem Weg zur Schule
endlich am Mekong

Straße Richtung Grenze zu Laos


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