Samstag, 14. November 2015

Über Palmöl, schnelle Gewissheiten und keine Antworten


Das Palmöl nagt noch. Wir sind durch die weltgrößten Produzentenländer für Palmöl, Indonesien und Malaysia gereist. Der „Haze“, durch Waldbrände verursacht, ist dieses Jahr so schlimm wie schon lange nicht mehr. Die Frage nach Palmöl ist ein exemplarisches Beispiel dafür, wie vertrackt Wirtschaft, Entwicklungshilfe, Nachhaltigkeit, NGO-Arbeit, gute Absichten, ... manchmal funktionieren oder eben auch gar nicht funktionieren.

Palmöl ist böse. Die verschandelte Landschaft, die extreme Umweltverschmutzung und Zerstörung von Artenvielfalt durch die massiven Brandrodungen der Regenwälder, um neue Anbauflächen für Palmölplantagen zu schaffen, bis hin zu Problemen des Landgrabbings und Ausbeutung von Plantagenarbeitern.

Palmöl ist gut. Hervorragende Verarbeitungseigenschaften, günstig und in der Hinsicht „nachhaltig“ weil es die größten Ölerträge auf kleinster Anbaufläche generiert. Nachwachsender Rohstoff, eine Alternative zu Erdöl. Und es sichert den (kurzfristigen) Lebenunterhalt von vielen Menschen in diesen Ländern. Und ja, in dichtbesiedelten Staaten wie Indonesien zählt die Nutzung jedes Quadratmeters Land. Da wird die Frage der Ernährung der eigenen Kinder eben wichtiger als die der Ausrottung des Orang Utans.

Was hat die „Umweltindustrie“ damit zu tun? Palmöl wird unter anderem für Herstellung von Biosprit genutzt. Warum wird mit Brandrodungen gearbeitet und nicht mit Abholzung der Regenwälder? Ah stimmt, das war ja auch böse und wurde deshalb boykottiert. Deswegen bringt das Holz nicht mehr genügend auf dem Markt, bzw. ist die Abholzung gar nicht erlaubt. So ein Feuer ist da schneller und billiger und schwieriger zu stoppen...

Am meisten aber wird Palmöl verzehrt und deswegen gibt es jetzt neue Bestimmungen, das Lebensmittel, die Palmöl enthalten, gekennzeichnet werden müssen. Damit z.B. die europäischen Verbraucher sich gegen Palmöl entscheiden, es quasi boykottieren können. „Ja, lasst uns was tun!“ Wenn im 1 Mrd China, 1 Mrd Indien und 240 Mio. Indonesien die Menschen jeden Tag ihr Essen frittieren (was aus hygienischen Gründen durchaus zu begrüßen ist) juckt es dann jemanden, wenn eine kleine Gruppe in Deutschland z.B. Schokocreme boykottiert?

Palmöl boykottieren ist der Aufruf den man zu dem Thema x-fach im Internet lesen kann. Ja die westliche Gesellschaft darf das gerne machen, und dann auf Sojaöl oder Ähnliches umsteigen, was noch viel mehr Anbauflächen verbraucht... Das können wir uns leisten. Die indonesische Familie aber nicht.
Der Bedarf an Öl ist da und wächst und wächst und wächst und wächst. Und Boykott bedeutet zuallererst den Verlust der Arbeitsplätze der Menschen vor Ort. 

Andere Vorschläge umfassen mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit (we got a great idea, lets make a facebook campaign!) den Aufkauf von Regenwaldflächen, um diese zu schützen. Ist das nicht irgendwie... neokolonial? Das mag auch alles gut gemeint und hoffentlich auch effektiv in Sachen Waldschutz sein, doch bedeutet es letzten Endes wieder das weitere Landressourcen in die Hände von (westlichen) Organisationen landen und damit der lokalen Bevölkerung nicht mehr zur Nutzung zur Verfügung stehen. Es gibt Berichte von der Vertreibung indigener Völker aus sogenannten Klimaschutzwäldern. Klimaflüchtlinge, die vor westlichen Nachhaltigkeitsregimes fliehen.

Eine weiterer Ansatz ist der des nachhaltig angebauten Palmöls, mit Zertifikaten. Dazu gibt es ein Gremium wozu der WWF hier ein recht gut verständliches Dossier veröffentlicht hat. Das klingt alles ganz vernünftig, versuchen an einem großen runden Tisch mit allen (großen?) Beteiligten gute Maßstäbe für einen einigermaßen nachhaltigen Anbau zu entwickeln.
Blöd nur, dass eben genau diese Zertifizierungsmaßnahmen auch kritisiert werden, als reines „greenwashing“ der Mächtigen, bei dem die eigentlichen Probleme nicht angegangen werden.
Spannend wie schnell der Markt die Nachfrage nach „guten“ und „zertifizierten“ Produkten aufnimmt und umsetzt, und wie es seinem System entspricht, zur Profitmaximierung und weiteren Wachstum nutzt. Kann man das „dem Markt“ vorwerfen?
Nachhaltigkeit ist eben nicht nur eine Frage des richtigen Einkaufens oder irgendwelcher Boykottaktionen. Sondern es geht auch um Machtfragen, um demokratische Legitimierung von Wirtschaftspraktiken, das Mantra des „notwendigen ewigen Wirtschaftswachstums“ in Frage zu stellen. Easy solutions? Nö.

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