Das Palmöl nagt
noch. Wir sind durch die weltgrößten Produzentenländer für
Palmöl, Indonesien und Malaysia gereist. Der
„Haze“, durch Waldbrände verursacht, ist dieses Jahr so schlimm
wie schon lange nicht mehr. Die Frage nach Palmöl ist ein
exemplarisches Beispiel dafür, wie vertrackt Wirtschaft,
Entwicklungshilfe, Nachhaltigkeit, NGO-Arbeit, gute Absichten, ...
manchmal funktionieren oder eben auch gar nicht funktionieren.
Palmöl ist böse.
Die verschandelte Landschaft, die extreme Umweltverschmutzung und
Zerstörung von Artenvielfalt durch die massiven Brandrodungen der
Regenwälder, um neue Anbauflächen für Palmölplantagen zu schaffen,
bis hin zu Problemen des Landgrabbings und Ausbeutung von
Plantagenarbeitern.
Palmöl ist gut.
Hervorragende Verarbeitungseigenschaften, günstig und in der
Hinsicht „nachhaltig“ weil es die größten Ölerträge auf
kleinster Anbaufläche generiert. Nachwachsender Rohstoff, eine
Alternative zu Erdöl. Und es sichert den (kurzfristigen)
Lebenunterhalt von vielen Menschen in diesen Ländern. Und ja, in
dichtbesiedelten Staaten wie Indonesien zählt die Nutzung jedes
Quadratmeters Land. Da wird die Frage der Ernährung der eigenen
Kinder eben wichtiger als die der Ausrottung des Orang Utans.
Was hat die
„Umweltindustrie“ damit zu tun? Palmöl wird unter anderem für
Herstellung von Biosprit genutzt. Warum wird mit Brandrodungen
gearbeitet und nicht mit Abholzung der Regenwälder? Ah stimmt, das
war ja auch böse und wurde deshalb boykottiert. Deswegen bringt das
Holz nicht mehr genügend auf dem Markt, bzw. ist die Abholzung gar
nicht erlaubt. So ein Feuer ist da schneller und billiger und
schwieriger zu stoppen...
Am meisten aber wird
Palmöl verzehrt und deswegen gibt es jetzt neue Bestimmungen, das
Lebensmittel, die Palmöl enthalten, gekennzeichnet werden müssen.
Damit z.B. die europäischen Verbraucher sich gegen Palmöl
entscheiden, es quasi boykottieren können. „Ja, lasst uns was
tun!“ Wenn im 1 Mrd China, 1 Mrd Indien und 240 Mio. Indonesien die
Menschen jeden Tag ihr Essen frittieren (was aus hygienischen Gründen
durchaus zu begrüßen ist) juckt es dann jemanden, wenn eine kleine
Gruppe in Deutschland z.B. Schokocreme boykottiert?
Palmöl boykottieren
ist der Aufruf den man zu dem Thema x-fach im Internet lesen kann. Ja
die westliche Gesellschaft darf das gerne machen, und dann auf Sojaöl
oder Ähnliches umsteigen, was noch viel mehr Anbauflächen
verbraucht... Das können wir uns leisten. Die indonesische Familie
aber nicht.
Der Bedarf an Öl
ist da und wächst und wächst und wächst und wächst. Und Boykott
bedeutet zuallererst den Verlust der Arbeitsplätze der Menschen vor
Ort.
Andere Vorschläge
umfassen mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit (we got a
great idea, lets make a facebook campaign!) den Aufkauf
von Regenwaldflächen, um diese zu schützen. Ist das nicht
irgendwie... neokolonial? Das mag auch alles gut gemeint und
hoffentlich auch effektiv in Sachen Waldschutz sein, doch bedeutet es
letzten Endes wieder das weitere Landressourcen in die Hände von
(westlichen) Organisationen landen und damit der lokalen Bevölkerung
nicht mehr zur Nutzung zur Verfügung stehen. Es gibt Berichte von
der Vertreibung indigener Völker aus sogenannten Klimaschutzwäldern.
Klimaflüchtlinge,
die vor westlichen Nachhaltigkeitsregimes fliehen.
Eine weiterer Ansatz
ist der des nachhaltig angebauten Palmöls, mit Zertifikaten. Dazu
gibt es ein Gremium wozu der WWF hier
ein recht gut verständliches Dossier veröffentlicht hat. Das klingt
alles ganz vernünftig, versuchen an einem großen runden Tisch mit
allen (großen?) Beteiligten gute Maßstäbe für einen einigermaßen
nachhaltigen Anbau zu entwickeln.
Blöd nur, dass eben
genau diese Zertifizierungsmaßnahmen auch kritisiert werden, als
reines „greenwashing“ der Mächtigen, bei dem die eigentlichen
Probleme nicht angegangen werden.
Spannend wie schnell
der Markt die Nachfrage nach „guten“ und „zertifizierten“
Produkten aufnimmt und umsetzt, und wie es seinem System entspricht,
zur Profitmaximierung und weiteren Wachstum nutzt. Kann man das „dem
Markt“ vorwerfen?
Nachhaltigkeit ist
eben nicht nur eine Frage des richtigen Einkaufens oder irgendwelcher
Boykottaktionen. Sondern es geht auch um Machtfragen, um
demokratische Legitimierung von Wirtschaftspraktiken, das Mantra des
„notwendigen ewigen Wirtschaftswachstums“ in Frage zu stellen. Easy solutions? Nö.
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