Auf der anderen Seite der Grenze ist niemand. Nur wie ein
Klischeebild, Kühe, die im brennenden Müll nach Essbarem suchen.
Erst nach einer Weile passieren wir einen ersten Armeecheckpoint.
Unser indisches Visa mussten wir online und in Person beantragen.
Und hier wird unsere Ankunft handschriftlich in ein Kassenbuch
eingetragen: Zuerst bei der Armee mit Maschinengewehren im Anschlag,
dann bei einem Sweatshirt- tragenden Immigration officer ohne Büro,
der uns mitten in Moreh von der Straße holt, als wir hilflos nach
der offiziellen Immigrationsstelle Ausschau halten.
Überall Armee, die Assam Rifles, denn in Manipur herrscht immer noch
Kriegsrecht. Diverse ethnische Gruppen der Berge kämpfen in
militanten Untergrundgruppen gegeneinander, die Berggruppen gegen die
Meithis der Manipuri-Ebene und alle zusammen gegen die Okkupierung
durch Indien. Die Assam Rifles dürfen jeden erschießen, von dem sie
annehmen zu den militanten Untergruppen zu gehören. Die Soldaten
sind nicht nur an den Checkposts, sondern auch in Gebüschen, auf
jeder Anhöhe. Manchmal sehen wir sie erst wenn wir nach einem
Pinkelplatz am Wegesrand suchen oder weil auf einmal aus einem Busch
ein Husten hörbar ist. Neben den Armeestützpunkten steht: „Assam
Rifles- Friends of the hill people“ oder „with you, for you,
always“. Manchmal gibt es auch Plakate, auf denen erschossene
Menschen zu sehen sind, mit der Aufschrift „It's your choice“.
Eine gruselige Mischung aus Charmeoffensive+ Drohkulisse.
Diese
ersten Eindrücke besser verorten können wir durch eindrückliche
Gespräche mit unserem supernetten warmshowershost in Imphal, der
auch der Präsident des lokalen Mountainbikeclubs Pedal attack ist.
Manipur ist politisch definitiv sehr „spannend“, es gilt als
Matriarchat, so gehen wir z.B. auf den Mutters-Markt, dem einzigen
Markt in Indien der komplett nur von Frauen betrieben wird. Auch in
der Stadt ist die Waffenpräsenz hoch, aber auch hier werden wir von
vielen Menschen nett angesprochen: „Welcome to Manipur, we are
happy to see you here. Did you have any problem? If you have problem
you can come to me, I will solve it for you.“ Oder conversationen
auf der Straße wie diese: „Do you have a problem?“ Wir: No we
just make a short break to put on some warmer clothing“ „Do you
need warm clothing? I can give you.“
In der gesamten Stadt scheint es kein fließendes Wasser zu geben.
Dafür gibt es Wassertanks an jedem Haus. Einfach mal schnell die
Hände waschen ist trotzdem schwierig.
Zu den sonstige Herausforderungen gehört es außerdem, einen
Geldautomaten zu finden. Merke: Nur weil irgendwo ein großes Schild
von einer Bank steht mit „24-hour ATM“ bedeutet das noch lange
nicht, dass an dem Ort des Schildes sich auch ein Geldautomat
befindet. Als endlich einmal Schild und Geldautomat an der selben
Lokalität zu finden sind, hat der Automat keinen Strom. Der nächste
funktioniert nicht. Bei der nächsten Bank entschuldigt sich der
Mitarbeiter, dass gerade kein Bargeld vorhanden sei. Aber jede Suche
hat ein Ende und so ist auch diese irgendwann erfolgreich zu Ende
gegangen, samt ausgiebiger Erkundungstour durch die Stadt.
Weiter geht es durch die Sadar Hills, die Straße schlängelt sich
durch die Berge mit beeindruckenden Terrassen auf denen Reis und
Gemüse angebaut wird. Wir fragen bei einer Kirche ob wir campen
dürfen. Nicht nur das, wir dürfen sogar in einem Gästezimmer
schlafen, und weil es so kalt ist, bringt uns die Pastorenfrau abends
noch ein kleines Eisenöfchen mit glühender Kohle ins Zimmer und
quatscht ein bisschen mit uns. In dem Dorf leben Poumei, die wiederum
zu den Nagastämmen gehören, die in Manipur leben. Sie sprechen also
Poumeidialekt, und Manipuri, Englisch und etwas Hindi, aber wiederum
kein Nagamesisch, wie viele andere Nagastämme, weil sie doch eher
selten in Nagaland sind. Wenn verschiedene christliche Stämme z.B.
gemeinsam Gottesdienst feiern, nutzen sie meistens Englisch, damit
alle ein bisschen was verstehen können.
[Knapp 1000 Sprachen werden in Indien gesprochen. Und eigentlich ist
es notwendig, nicht nur die eigene Stammessprache sondern auch die
jeweilige Staatssprache (z.B. Manipuri, Assamesisch, Nagamesisch)
sowie die Nationalsprache Hindi zu sprechen und vielleicht auch noch
etwas Englisch. Und in Deutschland zerbricht mensch sich den Kopf
über zweisprachiges Aufwachsen...]
Und dann auch Sätze wie diese: „Here it is more peaceful. We only
have here two underground militant groups. But in Imphal there are
many more.“
Es ist kalt, wir fahren durch die hohen Berge und grünen Wälder
Nagalands, und erkälten uns im Hotel als wir eigentlich versuchen,
uns von anderen Dingen zu kurieren. Das Hotel ist günstiger als
gedacht, ein Passant hat uns gesehen und für uns einen günstigeren
Deal klargemacht in einem Hotel, dass eigentlich über unserem Budget
lag. Einfach so. In Nagaland herrscht offiziell Waffenstillstand, die
Militärpräsenz ist etwas geringer. In der Hauptstadt fällt ca.
einmal pro Stunde der Strom aus. Auch hier sehen wir Menschen die
eher „tibetisch“ aussehen bis hin zu „südeuropäisch“ und
allen möglichen Hautfarben auf den Straßen.
Imphal Frauen Markt |
Morgenebel an der Kirche |
überall Gedenksteine für die "Märtyrer" Manipurs |
Naga Tor |
unser Paratha Frühstück, immer im Hocken Esen natürlich |
Überall öffentliche Informationen, hier z.B. das Abtreibung nach Feststellung des Geschlechtes des Kindes strafbar ist |
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