Montag, 27. Juni 2016

Nachtrag Incredible India 2- Assam bis Delhi


Wir fahren nach Assam in die Tiefebene, die Temperaturen steigen, die Luftverschmutzung auch. Der Verkehr ist erstaunlich wenig, am besten ist es, an Tagen Rad zu fahren, an denen politische Streiks statt finden, das bedeutet dann auch, dass keine LKWs unterwegs sind. Wir fahren durch Tigerschutz- Wälder und den autonomen Karbi-Anglong- Distrikt, der selbstverständlich auch für die Unabhängigkeit zumindest von Assam kämpft (falls wir da richtig durchgeblickt haben). Idyllische aber arme kleine Dörfer, Höfe aus mehren Bambus-Lehm-Häusern inklusive den schönsten Heuhaufen. Auch hier fragen wir wieder bei einer Kirche nur ob wir campen dürfen und werden genötigt, im Haus des Dorfchefs zu übernachten, bekommen Abendessen und Frühstück und dann auch noch traditionelle Karbischals geschenkt. Wenigstens dürfen wir eine Spende für den Kirchenneubau da lassen. Für uns sind diese Erlebnisse sehr wertvoll und besonders und gleichzeitig oft etwas beschämend. Wir wollten ja nur Rad fahren und kommen aus einem reichen Land und wollten reisen und Menschen kennen lernen, und die Menschen hier sind so begeistert uns zu sehen, dabei haben wir ja gar nichts gemacht: „ I always think how it would be if foreigner come to our village und now you came here and its like a dream come true.“

Es gibt Tage, da müssen wir mit circa 100 Leuten selfies machen.
In Guwahati dürfen wir wieder die Gastfreundschaft einer Sikh-Familie erleben, ein Teil der Familie arbeitet als Anwälte für Betroffene häuslicher Gewalt, so haben wir viele interessante Gesprächsthemen. Außerdem dürfen uns im neu eröffneten Restaurant als Testesser betätigen, ein äußerst angenehmer Nebenjob, bisher haben wir uns ja primär als Testesser von Samosas betätigt.

Wir machen gemeinsam einen Ausflug in den Staat Meghalaya- dem Land der Wolken. Ein Hochplateau nördlich von Bangladesh an dem sich die feuchte Luft abregnet, um weiter aufsteigen zu können. An den Hängen des Hochplateus sind kleine Dörfer durch ewig scheinende Treppen miteinander verbunden und Drahthängebrücken über den massiven Flussbetten die in der Monsoonzeit zu reißenden Strömen anschwellen. Über manchen Flussbetten haben die Dorbewohner der Khasi seit Generationen lebende Brücken kultiviert. Starke Bäume, deren Luftwurzeln über die Jahre so miteinander verflochten worden und verwachsen sind, dass sie haltbare Brücken bilden, die Hochwasser standhalten und so die wichtigen Wege zwischen den Dörfer aufrecht erhalten. Eine unwirkliche und wunderschöne Welt ohne Müll und mit klarer Sicht, in der wir zwei Tage lang umherwandern.

Entlang des Brahmaputras geht es dann weiter entlang Richtung „Zentral-Indien“. Die Sicht ist durch das Wetter und Staub und Smog oder was auch immer so schlecht, dass die Sonne oft wie der Mond aussehend hinter dichtem Grau verschwindet, die Augen tränen, der Hals kratzt. Zwei Tage fahren wir gemeinsam mit einem Dänen Rad. Die männliche Präsenz auf den Straßen wird immer stärker, oft werden wir, wenn wir kurz halten, direkt von vielen Männern und Jungs umringt, die uns einfach oft nur anstarren, oder ohne zu fragen fotografieren und es gar nicht glauben können, dass wir kein Hindi sprechen. Das ist dann doch eher unangenehm. Dann sagt die Polizei „Keep in moving you are causing traffic jam“. Wir ziehen uns dann abends in günstige Gasthäuser zurück und sind froh unser Abend essen auf dem Campingkocher kochen zu können und nicht mehr hinaus in den „Wahnsinn“ zu müssen.

Und dann aber gleich wieder Begegnungen mit ein paar super höflichen jungen Männern, die uns zu Tee und Gebäck zu sich einladen, die Freunde zusammen trommeln. Dann gibt es zwei Stunden intensiven Austausch angefangen von Klima in Deutschland über Bildungssystem, Recycling, Zika-Virus, arrangierte Ehen etc. „Today I am very happy, I never think that one day foreigner will come to my house and now you are here.“

Abends dann sind wir eingeladen bei einem jungen muslimisch-hinduistischen Paar, dass mit einer bollywoodesken Liebesgeschichte aufwartet. Ja, hier gibt es viele Gruppen und Religionen, die zusammen leben, aber diese Linien der Zugehörigkeiten z.B. durch eine Heirat zu überschreiten ist dann doch oft eine Sache die viel Mut erfordert. Wir bekommen erklärt, wie einer NGO Toiletten in Privathäusern baut (immer noch eine der größeren infrastrukturellen und gesundheitlichen Herausforderungen in Indien) . Die Baukosten werden nach dem Hochladen der Baufotos samt neuen Eigentümer mittels einer Smartphone-App von der Regierung erstattet.

Und dann überqueren wir die Grenze nach Westbengalen, die vorher 4-spurige Straße wird zu 1,5 Spuren. Nicht mal mehr zwei LKWs passen nebeneinander ohne abzubremsen oder auszuweichen und die Busfahrer rasen wie die wilden, kurz die letzten Tage vor Siliguri sind alles andere als angenehm zu fahren. In Siliguri erleben wir dann auch zum ersten Mal das „Indien“ was uns aus den Medien bekannt ist: enorme ökonomische Ungleichheit, Straßenkinder, permanent wilder Straßenverkehr.

Da wir nicht genügend Zeit haben und auch nicht durch Nordindien mit dem Rad fahren wollen versuchen wir uns 4 Tage lang auf ein Zugticket nach Delhi zu bewerben. Ja, mittels eines schriftlichen Bewerbungsformulars. Eine Maßnahme die wohl notwendig ist, weil es einfach zu viele Menschen für zu wenige Züge gibt. Deswegen sind an vielen Tagen alle Züge schon besetzt, oder es gibt keinen Platz mehr für unsere Räder. Letzten Endes müssen wir unsere Räder mit einem anderen Zug schicken. Zwischendrin machen wir noch einen kleinen Ausflug nach Darjeeling, in die Berge mit Teeplantagen. Leider ist das Wetter so diesig, dass wir keinerlei Aussicht auf den Himalaya haben, dafür ist Darjeeling wieder eine andere kleine Welt in der die Menschen wieder ganz anders aussehen und in der nepalischer und tibetischer Einfluss sehr präsent ist.

Dann fahren wir endlich 36 Stunden lang mit dem Zug nach Delhi. Als wir Nachts ankommen klettern wir über hunderte schlafenden Menschen in und um den Bahnhof und fahren zu unserem warmshowers- gastgeber. Es ist grün und sauber und nachts fast nichts los auf den Straßen, ganz anders als wir es erwartet hätten. Unser Gastgeber hat eine Wohnung mit Warmwasserdusche und unglaublich, aber wahr, eine Waschmaschine einer deutschen Firma. Nachdem wir zwei Monate lang mal wieder unsere Wäsche nur im kalten Wasser ohne nennenswerte Waschmittel per Hand gewaschen haben, ist unsere Freude über diese Waschmaschine natürlich riesengroß. Vor dem U-Bahn fahren müssen wir durch Sicherheitsschleusen wie am Flughafen, Frauen tasten Frauen nach Waffen ab, Männer die Männer. Es gibt extra Frauenabteile und Wartebereiche.
Wir verbringen zwei Tage in Delhi, bereiten unserer Räder auf den Flug vor, sie kauft sich ein Kopftuch für den Iran, wir gehen auf ein paar Drinks ins Ausgehviertel Delhis und haben viele interessante Gespräche mit unserem Gastgeber über Indien. So geht unsere Zeit in „incredible India“ zu Ende.








mit den Kids mal wieder in die Schule fahren



Living root bridges Meghalya



Ja, Bhutan war nur 40 km weg. Aber Visa unbezahlbar.

So schmal war dann die Straße... und dann

in Delhi





Die neugierigen Massen... Wir machen übrigens keine
Werbung für die Molkerei, sondern das ist ein altes Laufshirt.

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