Warnung: langer
blogpost mit politischen Inhalten.
Alice Springs, das Zentrum. Und noch wichtiger: endlich seit vielen Tagen mal wieder ein Supermarkt. Ist das immer ein Fest. Wir bleiben ein paar Tage auf einem interessanten Campingplatz, der eine Art Lager für alle möglichen Monteure und arbeitende Backpacker ist. Die Mieten sind hier so hoch, dass es sich für die Leute nicht lohnt, eine Wohnung zu mieten. Bauarbeiter leben monatelang im Zelt. Geht alles.
Wir nehmen an einer
kostenlosen Stadtführung teil. Als einzige Ausländer, alle anderen
Teilnehmenden sind weiße, ältere Australier. Dann kommen die Fragen
der Weißen über die Schwarzen, die auf krasse Weise offenbaren,
dass der 70-jährige Normalo aus Brisbane wahrscheinlich noch nie in
seinem Leben Kontakt mit einer indigenen Person des Landes hatte,
indem er lebt. Der Guide erklärt, dass man Aboriginal people
tatsächlich ansprechen kann, dass man keine Angst haben muss.
Die schwarze
Bevölkerung aus den Aboriginal Communities ist auch oft für mehrere
Tage in Alice Springs um Dinge zu erledigen, die Busse zu den
Homelands im Outback fahren so selten. Es gibt spezielle Aboriginal
Hostels, die von der Regierung betrieben werden, die günstig und
alkohol-freie Zonen sind und in denen keine Weißen wohnen dürfen.
Im Northern Territory leben nur sehr wenige Menschen, davon ca 30%
Aboriginal People, im Gegensatz zu anderen Staaten Australiens, wo
der Bevölkerungsanteil der Aboriginal people fast überall unter 4%
liegt.
Wie noch viele
weitere Städte im Northern Territory ist in Alice Springs Alkohol im
öffentlichen Raum komplett verboten. Die „bottle shops“ öffnen
ab 14 Uhr nachmittags und werden dann von jeweils zwei (weißen)
PolizeibeamtInnen bewacht. Sie kontrollieren ob die Kunden Alkohol
kaufen dürfen. Als weißer Mensch ist die Chance groß, das einem
das erlaubt ist. Wir werden nie kontrolliert. Schwarze Menschen
müssen ihren Ausweis vorzeigen. Viele Straßen oder Communities in
denen Aboriginal People leben sind sogenannte „dry communities“.
Menschen, die an diesen Adressen leben, ist es per se nicht erlaubt,
Alkohol zu kaufen. Uns wird erklärt, dass diese Communities selbst
gewählt haben „dry“ zu sein, bzw das dies meist eine
Entscheidung der „Ältesten“ ist.
Neben der
Polizeikontrolle gibt es die sogenannte „Basics-Card“, die
Menschen, die unter einem Einkommen-Management-Programm leben nutzen
müssen. Das bedeutet, dass 50% oder über 50% der monatlichen
Sozialhilfe auf diese Karte transferiert werden. Mit dieser Karte
kann mensch weder Alkohol, noch Zigaretten, Pornos,
Spielhallengebühren kaufen. Die Karte wird wie eine Kreditkarte zum
Einkaufen benutzt. Von den verschiedenen Kassen gibt es oft nur eine
Kasse, bei der mensch mit der basics-card bezahlen kann. Mehr als 90%
der Basics-Card Inhaber sind Aboriginal People.
Das alles ist unter
anderem währen der sogenannten „Intervention“ die seit 2007
andauert, passiert. Einer massiven Regierungsintervention im Northern
Territory mit der Begründung, aboriginal Kinder vor sexuellem
Missbrauch zu schützen. Laut den Kritikern ist diese Intervention
ohne Rücksprache mit Aboriginal Communities passiert und hat dazu
geführt, dass das Leben von Aboriginal people (wieder) sehr stark
reguliert wird.
Wir verstehen es
nicht. Im Northern Territory zeigt sich für uns eine massive
gespaltene Gesellschaft. Diese Politik bzw. Teile der Politik werden
von sehr vielen Menschen gut geheißen, auch von den Weißen, die
sonst eher am linken Ende des politischen Spektrums zu vermuten
wären. Ansonsten scheint auf allen Seiten große Ratlosigkeit zu
herrschen.
Auf uns wirkt es extrem paternalistisch. Aboriginal people werden von
einer weißen Mehrheit „gemanaged“, „geschützt“,
kulturalisiert, vermarktet, mystifiziert. Auf Flughäfen und
Mülltonnen überall Aboriginal dot Art, es gibt viele Kunst-und
Kulturgallerien, gemeinsame Verwaltung von Nationalparks, geschützte
„Homelands“.
Gleichzeitig scheint
diese Mystifizierung nicht nur von Seiten der Mehrheit zu geschehen.
Häuser in Alice Springs werden um heilige Bäume drum herum gebaut,
die Weißen wissen nur, dass diese Bäume heilig sind, nicht warum.
Dieses Wissen wird nur oral von Angehörigen einer Volksgruppe an
ihre Nachkommen weiter gegeben, wie viele weitere indigene kulturelle
Inhalte. Irgendwie auch eine spannende Ermächtigungsstrategie: „Wir
müssen uns nicht erklären.“
Die eigene indigene
Kultur wird als heilig und auch irgendwie nicht veränderbar
dargestellt.
Bei einem Ausflug in
die MacDonell Ranges muss Eintrittsgeld für eine
Natursehenswürdigkeit bezahlt werden. Das Land der
Natursehenswürdigkeit gehört einer indigenen Gruppe, die dieses
Land verwaltet und den dazugehörigen Kiosk betreibt. In dem Kiosk
arbeiten: Weiße.
Viele Weiße
scheinen Angst vor den „black fellas“ zu haben. Als wir uns
entscheiden, noch weiter mit dem Rad Richtung Darwin zu fahren raten
uns mehrere weiße, männliche, vielgereiste Australier aus Alice
Springs mit großer Ernsthaftigkeit uns bei der Polizei zu
registrieren mit unserer erwarteten Ankunftszeit in der nächsten
Stadt. Weil, „it's dangerous, if aboriginal men can get a white
women, they will rape her“. Echt jetzt. Wir haben uns nicht
registriert. Nicht ein einziges Mal ist Sie „komisch“ angeschaut
oder angemacht worden. Nicht ein einziges Mal haben wir uns unsicher
gefühlt. Wir hatten im Gegensatz viele nette Begegnungen.
Und nicht so nette:
Supermarkt, morgens
10 Uhr. Eine junge schwarze Frau formt ihre Hände zu einer Pistole
gegenüber einem schwarzen Mann und schreit: „ I'll take a gun and
shoot a bullet through your head. This is Australia, not Africa.“
Internalisierter Rassismus, weiter gegeben.
Disclaimer: Dieser
Post wiederspiegelt unsere Erfahrungen und Beobachtungen. Für ein
tieferes Verständnis waren wir sicher nicht lange genug in
Australien. Manche Infos haben wir von diesen Homepages:
http://stoptheintervention.org/,
www.creativespirits.info,
http://www.humanservices.gov.au/customer/enablers/centrelink/income-management/basicscard#a11
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